VKU zur EU-Datenrichtlinie (PSI): schmerzhafter Kompromiss – strukturelle Wettbewerbsnachteile gegenüber Datenkonzernen bei nationaler Umsetzung verhindern 04.04.19

Brüssel/Berlin, 04.04.2019. Das Europäische Parlament hat heute die Richtlinie über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (PSI-Richtlinie) in Brüssel verabschiedet. Sie soll den Umgang mit Daten regeln, die im öffentlichen Sektor entstehen. Erstmals müssen auch öffentliche Unternehmen ihre Daten zur Verfügung stellen, zu denen auch kommunale Unternehmen mit ihren Leistungen der Daseinsvorsorge gehören. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bewertet die Richtlinie als schmerzhaften Kompromiss – und mahnt bei der Umsetzung in deutsches Recht, die Verpflichtungen zur Datenweitergabe nicht noch weiter zu verschärfen. Sonst droht eine schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung – zulasten der kommunalen Unternehmen, Daseinsvorsorge und Bürger.

VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche: „Es ist richtig, Rechtssicherheit zu schaffen und digitale Chancen zu nutzen. Auch kommunale Unternehmen nutzen Daten, um ihre Leistungen der Daseinsvorsorge zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen.

Doch wenn kommunale Unternehmen ihre Daten veröffentlichen und weitergeben müssen, werden sie im Wettbewerb mit privaten Unternehmen strukturell benachteiligt. Diese Gefahr hat das EU-Parlament erkannt und daher Maßnahmen zum Schutz vor schwerwiegenden Wettbewerbsverzerrungen in einem insgesamt schmerzhaften Kompromiss erarbeitet.

Ob das Gleichgewicht gewahrt bleibt, entscheidet sich bei der Umsetzung in deutsches Recht: Die Bundesregierung sollte den hart errungenen, Kompromiss 1:1 umsetzen und die Verpflichtungen kommunaler Unternehmen nicht weiter verschärfen. Andernfalls würden kommunale Unternehmen im Wettbewerb mit privaten (Daten-)Konzernen noch stärker strukturell benachteiligt. Statt Datenkonzerne ins Finale zu pfeifen, sollte das Schiedsrichtergespann Brüssel-Berlin auf Fair Play achten, also faire Regeln für alle anwenden und funktionierenden Wettbewerb ermöglichen.“

Weiterhin kritisiert der VKU den besonders weitreichenden Zugriff auf sogenannte hochwertige Datensätze kommunaler Unternehmen, die häufig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollen. Um welche Daten es sich dabei genau handelt, wird zukünftig in Brüssel ausgemacht. Aus gutem Grund gab es das bisher nicht: Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und ihrer Organisation sind groß. Die Versorgung mit Wasser, Strom und Wärme, schnellem Internet sowie der Abfallentsorgung gehört in Deutschland zur kommunalen Daseinsvorsorge. In den anderen europäischen Mitgliedstaaten gibt es jedoch unterschiedliche Organisationsformen. Entsprechend schwierig ist es, eine Entscheidung zum Umgang mit den Daten öffentlicher Unternehmen zu treffen, die den unterschiedlichen Situationen in den Ländern gerecht wird. Die zukünftigen Initiativen der EU-Kommission in diesem Bereich müssen von den Mitgliedstaaten und in Abstimmung mit den betroffenen Unternehmen eng begleitet werden.

Katherina Reiche: „Nach einer strittigen Entscheidung zulasten kommunaler Unternehmen in einer ansonsten gut geleiteten Partie, pfeift Brüssel nun die zweite Halbzeit an: Es geht um die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht und der Festlegung der hochwertigen Daten in Brüssel. Als Linienrichter muss die Bundesregierung nun besonders kritisch hinsehen, um Schiedsrichter Brüssel in seinem Bemühen um Fair Play zu unterstützen. Es geht um nicht weniger als die Daten kommunaler Unternehmen, die bei der Versorgung von Wirtschaft und Bürger mit grundlegenden, lebensnotwendigen Leistungen entstehen. Diese Daten wollen wir nutzen, um die Daseinsvorsorge zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen. Nicht digitale Disruption à la Silicon Valley, sondern den Wandel zum Wohle aller zu gestalten, ist unser Anspruch. Statt Datengiganten und -konzerne zum Sieg zu pfeifen, müssen Brüssel und Berlin in der zweiten Halbzeit einen kühlen Kopf wahren und auf Fair Play achten: So ermöglichen sie kommunalen Unternehmen, sich in einem fairen Wettbewerb zu behaupten statt sie schon vor Anpfiff aus dem Spiel zu nehmen.“

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt rund 1.460 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 260.000 Beschäftigten wurden 2016 Umsatzerlöse von knapp 114 Milliarden Euro erwirtschaftet und rund 10 Milliarden Euro investiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen haben im Endkundensegment große Marktanteile in zentralen Versorgungsbereichen (Strom 60 Prozent, Erdgas 65 Prozent, Trinkwasser 88 Prozent, Wärmeversorgung 72 Prozent, Abwasserentsorgung 43 Prozent). Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 66 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Die kommunalen Unternehmen versorgen zudem mehr als sechs Millionen Kunden mit Breitbandinfrastrukturen. Sie investieren in den kommenden Jahren mehr als eine Milliarde Euro in digitale Infrastrukturen von Glasfaser bis Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN) in den Kommunen und legen damit die Grundlagen für die Gigabitgesellschaft.