Das LG Ravensburg hat sich in dieser Grundsatzentscheidung zu der Frage geäußert, ob Systembetreiber Eigentum an Verpackungen erlangen, die von Kommunen entsorgt werden. Diese Frage steht seit längerer Zeit zwischen Systembetreibern und Kommunen im Streit.
Die Klägerin ist Betreiberin eines dualen Systems. Sie hatte auf Feststellung geklagt, dass sie Miteigentümerin eines Anteils an dem vom Beklagten im Rahmen einer Vereinssammlung erfassten Altpapiers ist. Dem vor dem LG Ravensburg geführte Prozess hat die bundesweit tätige Klägerin den Charakter eines Musterprozesses beigemessen.
Das gesammelte Altpapier (PPK - Papier, Pappe, Kartonagen) besteht sowohl aus grafischem Papier (Zeitungen usw.) als auch aus Verpackungen. Das grafische Papier haben die Abfallbesitzer aus privaten Haushalten dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE) zu überlassen. Für die Entsorgung der PPK-Verkaufsverpackungen sind die dualen Systeme zuständig. Die Systembetreiber benutzen regelmäßig zur Erfassung und Entsorgung der PPK-Verpackungen das Altpapierentsorgungssystem der örE mit. So auch hier.
In ständiger Praxis erfasste und verwertete der beklagte örE das gesamte Altpapier und zahlte dem Systembetreiber dafür einen Betrag aus, der dessen "Anteil" entsprach. Eine Vereinbarung aus dem Jahr 1991 schloss einen Eigentumserwerb der Klägerin ausdrücklich aus. Im Jahr 2011 verlangte die Klägerin vom Beklagten erstmals an Stelle der Zahlung einen Anteil am Mischpapier heraus, um dies selbst zu verwerten. Im Jahr 2011 einigten sich die Parteien auf die Überlassung eines 11%-igen Anteils an der PPK-Gesamtmenge für das Jahr 2011. Für die Zeit danach haben sich die Parteien nicht mehr geeinigt.
Das LG Ravensburg hat die Feststellungsklage als unbegründet zurückgewiesen. Das duale System erwerbe kein Miteigentum an dem erfassten Altpapier. Das alleinige Eigentum, sowohl am grafischen Papier als auch an den PPK-Verpackungen erwerbe vielmehr der örE. Der Eigentumserwerb erfolge auf Grundlage der §§ 929 ff BGB durch Einigung und Übergabe. Es fehle an einer auf einen Erwerb durch die Klägerin gerichteten Einigung (1) sowie an der zum Erwerb erforderlichen Besitzerlangung (2) durch die Klägerin. Diese könne daher kein Miteigentum erwerben (3).
Mit der Bereitstellung des Altpapiers zur Abholung gibt der Bürger ein Übereignungsangebot ab. Dies richtet sich entweder an den sammelnden Verein oder den örE, jedenfalls aber nicht an die Klägerin, denn dem Bürger sind die Zuständigkeiten und Verantwortungsabgrenzungen nach Abfallrecht und nach der VerpackV gänzlich unbekannt. Soweit man davon ausgeht, dass sich das Angebot an den Verein richtet, nimmt dieser es an, erwirbt auch den Besitz am Papier und damit das Eigentum und überträgt das Eigentum später auf den örE. Keiner der Beteiligten handelt dabei mit Stellvertreterwillen für die Klägerin. Die Beteiligten handeln vielmehr mit Eigenerwerbsinteresse. Den Beklagten hindert auch kein Erwerbsverbot, das sich aus der VerpackV ergibt.
Die Klägerin erwirbt zu keinem Zeitpunkt unmittelbaren Besitz am Papier. Des Weiteren ergibt sich aus den Umständen kein Besitzmittlungsverhältnis zu ihren Gunsten.
Die Klägerin erwirbt schließlich auch kein Miteigentum im Wege der Verbindung, Vermischung gemäß §§ 947,948 BGB. Dies setzt nämlich voraus, dass die verbundenen bzw. vermischten Sachen mehreren Eigentümern gehörten. Daran fehlt es hier, weil allein der Beklagte das Eigentum an dem gesamten PPK-Sammelgemisch erwirbt.
Wegen der weiteren Klageanträge hat das LG Ravensburg den Rechtsstreit an die Verwaltungsgerichtsbarkeit überwiesen.
Das Urteil des LG Ravensburg ist nicht rechtskräftig und man kann davon ausgehen, dass der Systembetreiber den Rechtsweg ausschöpfen wird. Der Urteil wird jedoch Einfluss haben auf die laufenden Verhandlungen über die PPK-Erfassung bzw. Vergütung der Mitbenutzung der kommunalen Erfassungssysteme durch die Systembetreiber im Jahr 2014 und davor. Es könnte ferner Auswirkungen haben auf einige laufende Gerichtsverfahren wegen der Vergütung der PPK-Verpackungs-Entsorgung durch kommunale Betriebe.
Das Urteil kann unter lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py abgerufen werden.
Ansprechpartner: Heike Ameskamp