LG Hildesheim, Teilurteil vom 29.08.2014 - Az.: 4 O 247/13 - Kein Miteigentum an dem vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfassten Altpapier 07.12.17

Das LG Hildesheim hat in diesem Verfahren entschieden, dass der Betreiber eines dualen Systems nicht Miteigentümer des von der Kommune als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger (örE) auf ihrem Gebiet erfassten Altpapiers ist. Das Urteil des LG Hildesheim ist bereits das zweite erstinstanzliche Urteil nach dem Urteil des LG Ravensburg vom 30.01.2014 (Az.: 4 O 260/12), dass das (Mit-) Eigentum der Systembetreiber am Altpapier verneint. Das Urteil ist damit von großer Bedeutung für örE und Entsorgungsbetriebe, die seit einigen Jahren massiven Herausgabeverlangen der Systembetreiber ausgesetzt sind. Während in Ravensburger Fall eine Vereinssammlung betroffen war, ging es im Hildesheimer Fall um eine örE-Sammlung. Das mag die Bedeutung dieses Urteils noch steigern.

Der beklagte örE erfasst in seinem Gebiet Altpapier aus privaten Haushalten. Das PPK-Gemisch (Papier-, Pappe-, Kartonagen-Gemisch) besteht zum einen aus graphischem Papier (Zeitungen etc.) und zum andern aus PPK-Verkaufsverpackungen, für deren Entsorgung die Systembetreiber verantwortlich sind. Die Klägerin betreibt ein duales System und benutzt das PPK-Sammelsystem des örE mit. Bis zum 31.12.2012 erhielt der örE von der Klägerin eine Vergütung für die Erfassung der Verkaufsverpackungen. Der örE beteiligte im Gegenzug die Klägerin an den Erlösen aus der Verwertung des PPK-Sammelgemischs. Mit dieser Regelung war die Klägerin nicht mehr einverstanden. Sie verlangte statt der Erlösbeteiligung die Übergabe eines ihrem Markt-Anteil entsprechenden PPK-Anteils. Damit war die Beklagte nicht einverstanden Zwischen den Parteien kam nach dem 31.12.2013 keine Vereinbarung mehr zustande. Der örE erfasste auch weiterhin die PPK-Verpackungen.

Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr einen ihrem Marktanteil entsprechenden PPK-Anteil zu übereignen, hilfsweise, dass er verpflichtet sei, den Anteil Zug um Zug gegen Zahlung des genannten Betrages bereitzustellen und zu übereignen. Sie sei Miteigentümerin an dem PPK-Gemisch. Dem durchschnittlichen Verbraucher seien die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten für das Altpapier bekannt, nämlich die der Systembetreiber für die Verpackungen und die der örE für das grafische Papier. Selbst wenn dem nicht so sei, erwerbe sie Eigentum nach den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht. Der Entsorger, auch der öffentlich-rechtliche, nehme das Übereignungsangebot als Stellvertreter an. Er handle im Übrigen in Bezug auf die Verpackungen als Stellvertreter der Systembetreiber.

Das LG Hildesheim hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin erwerbe kein Eigentum. Eine auf Übereignung der PPK-Abfälle gerichtete Einigung des Verbrauchers komme nicht mit der Klägerin, sondern mit dem Beklagten zustande. Die Auslegung von Willenserklärungen richte sich nach den §§ 133, 157 BGB. Das Handeln des Verbrauchers, der seine PPK-Abfälle in die vom Beklagten mit seinem Logo versehenen Tonnen und Container werfe, könne nur dahin gehend verstanden werden, dass er den Müll dem Beklagten übereignen wolle. Entgegen der klägerischen Auffassung handle es sich bei diesen Tonnen / Containern nicht um gemeinsame Erfassungsbehältnisse, sondern um solche, die äußerlich deutlich erkennbar dem Beklagten zuzuordnen seien. Auch seien dem durchschnittlichen Verbraucher die Einzelheiten des Entsorgungssystems gerade nicht bekannt, insbesondere nicht der Umstand, dass inzwischen eine Mehrzahl von Systembetreibern am Markt sei. Ferner liege keine Übereignung nach den Grundsätzen des Geschäfts, für den, den es angeht, vor. Aus folgenden Gründen sei es bereits fraglich, ob es dem Verbraucher gleichgültig sei, an wen er sei Abfälle übereigne: "So mag es manchem Verbraucher gerade daran gelegen sein, dass der der Papiermüll, der eine Mischung aus graphischen Abfällen, Verpackungen und sonstigem Papier enthält und durch seine Zusammensetzung auch Rückschlüsse auf Verbraucherverhalten erlaubt, durch den zuverlässigen kommunalen Entsorger abgeholt und einer ordnungsgemäßen Verwertung zugeführt wird." Es fehle außerdem an der von der Klägerin behaupteten Stellvertretersituation. Hier liege keine Stellvertretung des Beklagten für die Klägerin vor, weil der Beklagte nicht den Willen habe, für die Klägerin zu handeln, sondern ein eigenes Geschäft führe. Für die Feststellung des Willens des Beklagten komme es auf den tatsächlichen Willen des Beklagten an und nicht, wie die Klägerin meine, auf dessen angeblich öffentlich-rechtliche Verpflichtungen. Diese Argumentation der Klägerin verfange hier ohnehin nicht, weil die Beteiligung der Klägerin an der Verwertung des PPK-Gemischs auch, wie in der Vergangenheit geschehen, anders praktiziert werden könne (durch Erlösbeteiligung). Schließlich fehle es auch an einer Übergabe an die Klägerin. Der Beklagte habe nämlich keinen Besitzmittlungswillen und fungiere daher auch nicht als Besitzmittler. Die Klägerin erwerbe auch kein Miteigentum, weil keine beweglichen Sachen verschiedener Eigentümer vorlägen.

Da der Hauptantrag unbegründet war, stehen Hilfsantrag zu Ziffer 1 und der Hauptantrag Ziffer 2 zur Entscheidung. Dafür sei jedoch der Verwaltungsrechtsweg einschlägig. Das LG Hildesheim hat den Rechtsstreit daher an die Verwaltungsgerichtsbarkeit verwiesen.