Mit diesem Urteil hat das BVerwG die Klage des Landkreises Böblingen gegen die Duales System Deutschland GmbH (DSD) auf Feststellung der Verpflichtung zur Mitbenutzung des PPK-Erfassungssystems des Landkreises und auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Mitbenutzung zurückgewiesen. Der Kläger ist öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (örE) für das Gebiet des Landkreises. Der Kläger hat mit der Klage das Ziel verfolgt feststellen zu lassen, dass die Beklagte zur Mitbenutzung der Einrichtungen des Klägers zur Entsorgung von Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Karton (PPK) gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts verpflichtet ist. Das BVerwG hat diese Klage als unbegründet abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche ließen sich nur auf § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV 2008 stützen (wortgleich mit § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV in der derzeit geltenden Fassung). Diese Vorschrift ist nach Auffassung des BVerwG nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und daher unwirksam.
Dieses Ergebnis hat das BVerwG nicht, wie vorab befürchtet, auf eine unzureichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV gestützt. § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV wird von der Ermächtigungsgrundlage, § 24 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG, noch gedeckt, so das BVerwG t. § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV genügt jedoch nicht den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebotes. Das BVerwG geht davon aus, dass § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV dem örE das Recht einräumt, "ein angemessenes, von ihm betragsmäßig einseitig zu konkretisierendes Entgelt für die Mitbenutzung bestimmter Entsorgungseinrichtungen zu verlangen und gegebenenfalls durchzusetzen." Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen derartigen "abgabeähnlichen Tatbestand" entspricht die Norm allerdings nicht:
Das BVerwG hat zunächst die Diskussionen über die Rechtsnatur des Mitbenutzungsanspruchs nach § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV beendet. Die Vorschrift soll dem örE einen echten Anspruch gegen die Systembetreiber verleihen und nicht nur ein Element der nach § 6 Abs. 4 S. 1 VerpackV vorzunehmenden Abstimmung zwischen örE und Systembetreibern sein. Dafür spricht zum einen der Wortlaut, der sich an die Definition des Begriffs "Anspruch" in § 194 BGB anlehnt, und zum andern das Fehlen einer Regelung für den Fall eines Dissenses zwischen Systembetreiber und örE. § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV entfalte damit ähnliche Rechtswirkungen wie eine Abgabe und müsse sich daher an den Bestimmtheitsanforderungen messen lassen, die für abgabenbegründende Normen gelten (z.B. Steuergesetze und Gebührensatzungen). Das in Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip begründet das Bestimmtheitsgebot. Danach müssen diejenigen, die von einer gesetzlichen Bestimmung betroffen sind, erkennen können, was von ihnen verlangt wird, und ihr Verhalten danach ausrichten können. Für Abgabebegründende Normen gilt noch, dass der Abgabepflichtige in etwa berechnen können muss, wie hoch die von ihm zu entrichtende Abgabe sein wird. Diesen Ansprüchen genügt der Normgeber, indem er die Bemessungsfaktoren für die Abgabe im Gesetz bzw. in der Satzung regelt. Eine solche Regelung ist im Fall des Mitbenutzungsentgelts aber nicht zu finden. § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV enthält keinerlei Bemessungsgrundsätze für die Bestimmung des "angemessenen" Mitbenutzungsentgelts. Derartige Bemessungsgrundsätze finden sich auch nicht im KrW-/AbfG oder in anderen Gesetzen. Auch Vorschriften aus dem Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge führen nicht zu den Bemessungsgrundsätzen. Dabei wären nach Auffassung des BVerwG verschieden Möglichkeiten für die Konkretisierung des Angemessenheitsmaßstabs in § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV denkbar. So könnte sich die Ermittlung des Mitbenutzungsentgelts an den Grundsätzen des Kommunalabgabenrechts oder des öffentlichen Preisrechts (VO PR Nr. 30/53 in Verbindung mit den Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten, LSP) orientieren. Auch eine einzelfallbezogene Bestimmung des Entgelts nach Maßgabe der für die Schaffung und Unterhaltung der mitbenutzten Einrichtungen entstehenden Kosten und des Umfangs ihrer Inanspruchnahme wäre möglich. Das Gericht konnte jedoch keinen normativen Anhaltspunkt dafür finden, welcher dieser Maßstäbe oder welche Kombination von Maßstabselementen nach dem Willen des Verordnungsgebers einschlägig sein sollte. Das Fehlen der Bemessungsgrundsätze führt zur Unwirksamkeit der Regelung des § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV insgesamt. Daher konnte weder einen Anspruch auf Zahlung eines Mitbenutzungsentgelts noch ein Anspruch auf Mitbenutzung des klägerischen Erfassungssystems durch DSD festgestellt werden. Da die Pflicht zur Zahlung eines angemessenen Mitbenutzungsentgelts in untrennbarem Zusammenhang mit der Pflicht zur Mitbenutzung steht, ist die Regelung insgesamt nichtig. Angesichts des mit dem Erlass der Vorschriften verfolgten Ziels, dem Schutz der Investitionen des örE, ist es fernliegend, dass der Verordnungsgeber den örE einen Anspruch auf Mitbenutzung auch für den Fall zubilligen wollte, dass ihnen kein Anspruch auf ein Mitbenutzungsentgelt zusteht, so das BVerwG.
Kurzbewertung der Entscheidung:
Das Urteil des BVerwG wird weit reichende Folgen für das Zusammenwirken der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der Systembetreiber haben. Streitigkeiten über die Höhe des Mitbenutzungsentgelts waren in den vergangenen Jahren zunehmend Anlass für Auseinandersetzungen, die nicht selten vor Gericht endeten. Dabei wurde jedoch der Anspruch der örE auf Mitbenutzung ihrer PPK-Erfassungssysteme durch die Systembetreiber nicht in Frage gestellt. Welche praktischen Folgen sich daraus ergeben, dass die Anspruchsgrundlage für die Mitbenutzung an sich nunmehr für nichtig erklärt wurde, dürfte in erster Linie vom künftigen Verhalten der Systembetreiber abhängen, denn diese könnten nunmehr die Mitbenutzung des kommunalen PPK-Erfassungssystems verweigern. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber ist dringend gefordert, entweder eine Rechtsgrundlage für die Mitbenutzung zu schaffen, die den überaus hohen Anforderungen an das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot genügt, oder aber am besten die PPK-Verpackungen aus dem Regime der VerpackV zu entlassen. Selbst bei Schaffung einer hinreichenden Rechtsgrundlage für ein Mitbenutzungsentgelt blieben jedoch strittigen Faktoren wie Volumenfaktor und Massenteil erhalten. Für das Gericht gab es keinen Anlass, sich dazu zu äußern. Aus Sicht des VKU ist mit dem Urteil des BVerwG auch das der VerpackV zugrunde liegende "Konsensual-Prinzip" gescheitert. Für die Diskussion um ein Wertstoffgesetz ist deshalb festzustellen, dass das "Modell der konsensualen Mitbenutzung" ungeeignet ist, um auch noch auf eine "Wertstofftonne" ausgeweitet zu werden.