VGH Mannheim, Urteil vom 24.07.2012 - 10 S 2554/10 - Anspruch des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegen Systembetreiber auf Mitbenutzung des kommunalen PPK-Erfassungssystems und Zahlung eines angemessenen Mitbenutzungsentgelts 07.12.17

Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und kommunale Entsorger müssen sich Jahr für Jahr mit zehn dualen Systemen über deren finanziellen Beitrag zur gemeinsamen PPK-Entsorgung einigen. Weder die Verpackungsverordnung noch übergreifende Vereinbarungen geben Parameter vor, wie das Entgelt für die Mitbenutzung des kommunalen PPK-Sammelsystems zu berechnen ist. Oftmals scheitern die Vertragsverhandlungen und kommunale Entsorger erfassen die PPK-Verpackungen, ohne dafür vergütet zu werden. In dem jetzt vom VGH Mannheim entschiedenen Fall wollte ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger dies nicht länger hinnehmen und hat einen großen Systembetreiber verklagt.

Der Kläger, ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (örE) hatte den Betreiber eines dualen Systems auf Mitbenutzung seiner Entsorgungseinrichtungen für PPK-Abfälle und den Abschluss einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung verklagt.

Die Parteien hatten im Jahr 1992 eine Abstimmungsvereinbarung geschlossen. Dort war u.a. festgelegt, dass es für den Bürger nur "ein einheitliches Wertstofferfassungssystem" gebe. Neben der Abstimmungsvereinbarung hatten die Parteien bis zum Jahr 2008 auch noch separate Entsorgungsverträge über die PPK-Entsorgung geschlossen. Ab dem Jahr 2008 scheiterten die Verhandlungen über den Abschluss weiterer Entsorgungsverträge.

Zurückgewiesen hat der VGH die auf Abschluss eines bestimmten Mitbenutzungsvertrages gerichtete Leistungsklage des örE. § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV 2008 gewähre keinen Anspruch auf Abschluss eines bestimmten Vertrages. Der Senat räumt ein, dass dieses Ergebnis "unbefriedigend" und die VerpackV in diesem Punkt "wenig anwendungsfreundlich" sei. Die Bindung an Recht und Gesetz erlaubte dem Gericht aber nicht, in § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV 2008 ein bestimmtes Handlungsformverbot hineinzuinterpretieren.

Mit erfreulicher Deutlichkeit hat das Gericht den Mitbenutzungsanspruch des örE gem. § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV 2008 bejaht. Dieser umfasse die gesamte öffentliche Einrichtung der PPK-Entsorgung, nicht nur die Sammelgefäße. Das Gericht verweist zur Begründung auf den öffentlich-rechtlichen Einrichtungsbegriff. Ausdrücklich zurückgewiesen hat das Gericht die Auffassung des Systembetreibers, dass sich der Mitbenutzungsanspruch nur auf solche Einrichtungen beziehe, die vor Einrichtung eines Dualen Systems vorhanden waren. Der Systembetreiber hatte die Auffassung vertreten, der örE könne nicht die Mitbenutzung der im Jahr 2008 eingeführten "blauen Tonnen" verlangen.

Der VGH hat den Anspruch des Klägers auf Zahlung eines angemessenen Mitbenutzungsentgelts in Orientierung an kommunalabgabenrechtliche Vorgaben sowie unter Berücksichtigung des dem § 6 Abs. 4 VerpackV 2008 zugrunde liegenden Kooperationsprinzips bejaht. Eine Leistungsbestimmung gem. §§ 315 BGB sei vorliegend ausgeschlossen. Diese komme nur in Betracht, wenn andere näher liegende Methoden der Entgeltermittlung nicht zu Verfügung stünden. Das sei hier aber nicht der Fall. "Jedenfalls das Kommunalabgabenrecht bietet maßgebliche Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage." Da der Kläger für die in seine Verantwortung fallenden PPK-Abfälle ohnehin Gebühren nach dem KAG erhebe, liege es nahe, zur Ermittlung des angemessenen Entgelts nach § 6 Abs. 4 VerpackV 2008 jedenfalls auch auf diese Grundsätze zurückzugreifen. Es sei aber darüber hinaus das verpackungsverordnungsrechtliche Kooperationsprinzip zu berücksichtigen. Während die Klägerin ein "strukturiertes methodisch reflektiertes und mit inhaltlicher Substanz angereichertes Berechnungsmodell zur Ermittlung des "angemessenen Entgelts vorgelegt" hatte, war die Beklagte ein vergleichbares privatwirtschaftlich geprägtes Gegenmodell im gesamten Verfahren allerdings schuldig geblieben. Nach Auffassung des Gerichts ist die Beklagte daher nach wie vor in der Pflicht, der klägerischen Berechnung ein substantiiertes Gegenmodell entgegen zu stellen.

Der Rechtsstreit bleibt daher in diesem Punkt unentschieden.

Schließlich hat der VGH klargestellt, dass sich die Verantwortung der Systembetreiber auf die Gesamtmenge der erfassten Verpackungen und nicht nur auf die bei den Systemen lizenzierten Verpackungen bezieht.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der VGH die Revision zugelassen.

Das Urteil kann unter lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py abgerufen werden.