Autofahrer müssen auf Müllsammelfahrzeuge besonders achten
Verkehrsgefährdung durch Mülltonne

Wer mit seinem PKW an einem im Einsatz befindlichen Abfallsammelfahrzeug vorbeifährt, darf dies nur mit einer derart geringen Geschwindigkeit tun, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann. Kollidiert der Fahrer mit einer Mülltonne, ist dies zwar dem Abfallsammelfahrzeug zuzurechnen, den PKW-Fahrer treffe aber eine Mitschuld am Unfall, so der BGH.

21.02.24

Mit Urteil vom 12.12.2023 | Az.: VI ZR 77/23 hat der BGH einen Fall entschieden, in dem eine Pkw-Fahrerin an einem Müllabfuhrfahrzeug vorbeifuhr und mit einem gerade entleerten Müllcontainer kollidierte.

Der BGH hat zwar einen Verstoß der Fahrerin gegen die StVO bejaht, ihr aber zugleich einen Schadensersatzanspruch aus § 7 StVG zugesprochen, weil auch ein Verstoß des Müllwerkers gegen die StVO vorlag.

Dem lag folgendes zugrunde:

  • Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen.
  • Lässt sich beim Vorbeifahren an einem Müllabfuhrfahrzeug ein ausreichender Seitenabstand, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit so weit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann.

Die Klägerin macht gegen einen für die Abfallwirtschaft zuständigen kommunalen Zweckverband Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, bei dem eines ihrer Fahrzeuge beschädigt wurde.

Eine Mitarbeiterin der Klägerin fuhr mit diesem Fahrzeug aus der Gegenrichtung kommend an einem Müllfahrzeug des beklagten Zweckverbandes vorbei, das mit laufendem Motor, laufender Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage in der Straße stand. Dabei kam es zu einer Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit einem Müllcontainer, den ein bei dem Beklagten angestellter Müllwerker hinter dem Müllfahrzeug quer über die Straße schob. Mit der Klage hat die Klägerin Erstattung der Fahrzeugreparaturkosten verlangt.

Der BGH hat das zugrunde liegende OLG-Urteil und die Sache an das OLG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der Klägerin stehe gegen den Beklagten als Halter des Müllabfuhrfahrzeugs ein Schadensersatzanspruch aus § 7 StVG zu, da das Fahrzeug der Klägerin "bei dem Betrieb" des Müllabfuhrfahrzeugs beschädigt worden sei. Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgehe, sei dem Betrieb des Müllfahrzeugs zuzurechnen.
Bei der Entscheidung über die Haftungsverteilung habe das OLG zu Recht dem Müllwerker einen schuldhaften Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorgeworfen, weil er hinter dem Müllfahrzeug einen Müllcontainer quer über die Straße schob, ohne auf den Verkehr und das Fahrzeug der Klägerin zu achten, das für ihn - hätte er den Müllcontainer nicht vor sich hergeschoben - erkennbar gewesen wäre.
Allerdings sei auch der Mitarbeiterin der Klägerin als Fahrerin des Pkw ein Verstoß gegen die StVO vorzuwerfen: Das Hauptaugenmerk der mit dem Holen, Entleeren und Zurückbringen von Müllcontainern befassten Müllwerker sei auf ihre Arbeit gerichtet, die sie überwiegend auf der Straße und effizient, das heißt in möglichst kurzer Zeit und auf möglichst kurzen Wegen, zu erledigen haben. Wer an einem Müllfahrzeug vorbeifahre, das erkennbar im Einsatz sei, dürfe daher nicht uneingeschränkt auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen. Man müsse damit rechnen, dass Müllwerker plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den Verkehrsraum tun, bevor sie sich über den Verkehr vergewissern. Auf diese typischerweise mit dem Einsatz von Müllfahrzeugen verbundenen Gefahren habe der vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer sein Fahrverhalten auszurichten.

Lasse sich ein ausreichender Seitenabstand zum Müllfahrzeug, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden könne, nicht einhalten, so sei die Geschwindigkeit so weit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen könne.
Den dargelegten Anforderungen genügte die Fahrweise der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nicht. Bei einem Seitenabstand von maximal 50 cm zum Müllabfuhrfahrzeug sei die Ausgangsgeschwindigkeit von 13 km/h zu hoch gewesen, als dass die Fahrerin das Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen hätte bringen können.