VKU-Chef Ingbert Liebing zum heutigen Treffen der EU-Energieminister in Brüssel 24.11.22

Berlin, 24.11.2022. Der europäische Energieministerrat hat sich heute in Brüssel zu den zwei Notfallverordnungen für einen gemeinsamen Gaseinkauf sowie für schnellere Genehmigungsverfahren für Erneuerbaren Energien politisch geeinigt sowie den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen EU-weiten Gaspreisdeckel diskutiert. Wir begrüßen, dass bei der Ausarbeitung der Notfallverordnung gegen hohe Energiepreise auf einen pauschalen Gaspreisdeckel verzichtet wurde.

Dazu Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU): 

Mit der politischen Einigung zu den beiden Gesetzen zeigen die EU-Mitgliedsstaaten, dass sie den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben und gemeinsam gegen die extrem gestiegenen Energiepreise und die damit verbundene hohe finanzielle Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher vorgehen wollen.  

Erneuerbare Energien

Wenn in Europa der Erneuerbaren Ausbau schnell vorangetrieben werden soll, kommen wir am Prinzip „Populationsschutz statt Individuenschutz“ nicht vorbei. Wir begrüßen, dass im EU-Recht das übergeordnete Interesse an EE-Anlagen, Netzanschluss, Netzen und Speichern im Rahmen von Abwägungsvorgängen gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie und der EU-Habitatrichtlinie verankert wird.

Kritisch bewerten wir, dass Mitgliedstaaten bei der Umsetzung Schutzmaßnahmen ohne Anlass als Mindestanforderung anordnen könnten. Das ginge über die jetzigen, in Deutschland geltenden Artenschutzvorgaben hinaus und stünde diametral dem Ziel der Notfallverordnung gegenüber. Des Weiteren ist diese Notfallmaßnahme nur zeitlich begrenzt. Es ist unverzichtbar, dass die vereinfachten Planungs- und Genehmigungsverfahren in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie verankert werden.

Gasbeschaffung und Gaspreisdeckel

Die gemeinsame Gasbeschaffung bietet die Möglichkeit, die Preise EU-weiter stärker beeinflussen und gegebenenfalls senken zu können. Preisvorteile, die daraus entstehen, müssen in der Versorgungskette weitergegeben werden. 

Wir begrüßen, dass die EU-Kommission bei der Ausarbeitung der Notfallverordnung gegen hohe Energiepreise auf einen pauschalen Gaspreisdeckel verzichtet hat und der Mechanismus so gestaltet werden soll, dass er nur im Notfall greifen würde und zeitlich terminiert wäre. Mit den geplanten Schutzvorkehrungen können potenzielle negative Rückwirkungen auf die Versorgungssicherheit vermieden werden. In einem globalen Energiemarkt hätte ein europaweit gültiger fixer Gaspreisdeckel negative Auswirkung auf die Versorgungssicherheit innerhalb der EU haben können. 

Der Gesetzesvorschlag bietet jedoch ein Schlupfloch: Der sogenannte Frontmonatshandel an der Börse, für den die Preisobergrenze gelten würde, würde nur einen kleinen Teil des Gashandels abdecken. Für den längerfristigen Terminhandel, den Spot- und OTC-Handel würde der Deckel nicht gelten. Für den Fall, dass die Notfallverordnung so in Kraft träte, wären Arbitragegeschäfte zu befürchten. An der Börse eingekauftes Gas könnte teuer und ohne Entlastung für Verbraucher auf anderen Handelsplätzen weiterveräußert werden.

Denkbar wäre auch, dass die Liquidität im Terminhandel durch den Preisdeckel zurückgeht und die Gasbeschaffung stärker im Spotmarkt stattfindet. Dies würde die Preisvolatilität erhöhen und ginge einher mit mehr Preisrisiken, auch für die Gasverbraucher. 

Ausblick

Nun müssen sich die EU-Mitgliedstaaten zum Vorschlag einigen. Die EU-Energieminister könnten die Notfallverordnung noch vor Weihnachten beschließen. Sie würde dann ab dem 1. Januar 2023 aktiviert werden können und vorerst für ein Jahr gelten. Die Notfallverordnung würde laut Vorschlag der EU-Kommission in Kraft treten, sobald der Preis pro Megawattstunde Gas an der Großhandelsplattform TTF zwei Wochen 275 Euro überstiege und mindestens 58 Euro höher läge, als die Preise am Weltmarkt für Flüssiggas.  

 

Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Gas 67 Prozent, Trinkwasser 91 Prozent, Wärme 79 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 203 Unternehmen investieren pro Jahr über 700 Millionen Euro. Beim Breitbandausbau setzen 92 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude. Wir halten Deutschland am Laufen – klimaneutral, leistungsstark, lebenswert. Unser Beitrag für heute und morgen: #Daseinsvorsorge. Unsere Positionen: 2030plus.vku.de.