VKU: Keine sektorspezifischen Regelungen für die Energiewirtschaft im Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzentwurf des Justizministeriums stößt auf erhebliche Kritik des VKU
Der VKU hat dem Bundesministerium der Justiz und für Verbrauchschutz (BMJV) am 24.02.2020 seine Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz für faire Verbraucherverträge übermittelt. Der VKU bewertet den Entwurf insgesamt sehr kritisch und lehnt insbesondere sektorspezifische Regelung zur Energieversorgung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ab.
Zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag formulierten Verbraucherschutzvorhaben hatte das BMJV bereits am 15.03.2019 ein Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“ veröffentlicht. Darin wurden u.a. folgende gesetzlichen Maßnahmen angekündigt: Einführung einer Bestätigungslösung für telefonisch abgeschlossene Energielieferverträge, Einführung einer Dokumentationspflicht für die Einwilligung in Telefonwerbung und Verkürzung der Erst-Laufzeit von Verträgen auf der Grundlage Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) auf maximal 1 Jahr, der stillschweigenden Verlängerung auf maximal 3 Monate und der Kündigungsfrist auf maximal 1 Monat.
Das BMJV hatte dann am 13.08.2019 einen entsprechenden Referentenentwurf für ein „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ in die Ressortabstimmung gegeben. Diese konnte bislang aufgrund unterschiedlicher Widerstände gegen die geplanten Regelungen nicht abgeschlossen werden. Nachdem sich die Ressorts auf eine reine Versendungslösung geeinigt hatten, konnte das BMJV am 24.01.2020 den unveränderten Referentenentwurf aus August veröffentlichen sowie den Fachkreisen und Verbänden, u.a. dem VKU, zur Stellungnahme bis zum 24.02.2020 übermitteln.
Aus Sicht des VKU stellen sich die beabsichtigten Änderungen der Laufzeit- und Kündigungsregelungen von AGB-Verträgen als überflüssiger regulatorischer Eingriff in den Wettbewerbsmarkt der leitungsgebundenen Energieversorgung dar. Denn diese Änderungsvorschläge gehen zunächst von einer unzutreffenden Einschätzung der Energiemarktsituation aus. Entgegen der Annahme im Gesetzentwurf hemmen in der Energieversorgung insbesondere lange Laufzeiten den Wechsel der Verbraucher zu einem anderen Anbieter und damit den Wettbewerb nicht. Vielmehr konnten die Verbraucher 2019 in Deutschland zwischen den Angeboten von 1.354 Stromlieferanten und 1.048 Gaslieferanten wählen. So wechselten im Jahr 2018 auch ca. 3,6 Mio. Haushaltskunden auch ihren Stromlieferanten. Daher werden – zumindest im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung – die Klauseln zur Vertragsverlängerung und / oder Kündigung von Verbrauchern meist nicht übersehen oder vergessen.
Die Änderungsvorschläge sind im Hinblick auf die vorhandene Vielfalt der etablierten Wettbewerbsangebote im Energiemarkt und die damit bestehenden und nachweislich von den Verbrauchern in Anspruch genommenen Wahlmöglichkeiten auch nicht notwendig. Ein signifikanter Vorteil für die Energieverbraucher wird dadurch nicht sichtbar. Im Gegenteil: Ausschließlich kurzfristig zulässige Energielieferverträge sind für den Verbraucher insgesamt eher nachteilig und entsprechen nicht dem offensichtlich bestehenden Wunsch der Verbraucher nach einer längerfristigen Preisstabilität. Längere Vertragslaufzeiten, insbesondere mit Festpreisgarantien, und der damit verbundene Energieabsatz ermöglichen es nämlich den Energielieferanten, längerfristig zu planen und vor allem die benötigten Energiemengen an den Handelsplätzen im Voraus zu günstigeren Konditionen zu beschaffen.
Der Anwendungsbereich der sogenannten Bestätigungslösung zum Schutz vor telefonisch aufgedrängten oder untergeschobenen Verträgen soll vorerst nur auf die Energiebranche beschränkt werden. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Anzahl der Beschwerden wegen Anrufen von Energielieferanten oder von diesen beauftragten Dienstleistern nach den vorliegenden Erkenntnissen neben anderen Bereichen besonders hervorzuheben sei. Die dafür bemühten Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 2016, ohne zudem konkret zu benennen, wie viele Unternehmen der Energiebranche Beschwerden über unerlaubte Telefonwerbung überhaupt verursacht haben. Dies sieht auch der Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) und fordert die Einführung einer allgemeinen Bestätigungslösung. Ausschließlich sektorspezifische Lösungen würden nämlich als Maßnahme gegen unerlaubte Telefonwerbung und untergeschobene Verträge zu kurz greifen.
Zusätzlich ist es für den VKU nicht nachvollziehbar, warum die für einen erhöhten Verbraucherschutz angestrebte Bestätigungslösung nur für telefonische Vertragsschlüsse, nicht aber auch für Vertragsschlüsse außerhalb von Geschäftsräumen eingeführt werden soll. Es macht nämlich keinen Unterschied, ob der Verbraucher angerufen wird oder an der Haustür oder in der Fußgängerzone angesprochen wird. In allen Fällen, in denen Verträge untergeschoben werden sollen, würde die Bestätigungslösung die Hemmschwelle für unseriöse Vertriebspraktiken erheblich erhöhen – und das nicht nur in der Energieversorgung, sondern in allen auffälligen Branchen.