Keine unmittelbare Anwendung der Gas-Richtlinie zwischen dem 01.07.2004 und dem 30.10.2014 BGH trifft Grundsatzentscheidungen zugunsten kommunaler Unternehmen

Die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie waren auf einseitige Preiserhöhungen in der Gasgrundversorgung in der Zeit zwischen dem 01.07.2004 und dem 30.10.2014 grundsätzlich auch dann nicht unmittelbar anzuwenden, wenn sich die Gesellschaftsanteile des Grundversorgers vollständig in öffentlicher Hand befanden.

Die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG waren auf einseitige Preiserhöhungen in der Gasgrundversorgung in der Zeit zwischen dem 01.07.2004 und dem 30.10.2014 grundsätzlich auch dann nicht unmittelbar anzuwenden, wenn sich die Gesellschaftsanteile des Grundversorgers vollständig in öffentlicher Hand befanden. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit zwei am 05.03.2020 veröffentlichten Urteilen vom 29.01.2020 | Az.: VIII ZR 75/19 und VIII ZR 80/18 | entschieden. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über diese Frage steht aber möglicherweise noch aus.

Hintergrund

Beide Verfahren betreffen widersprochenen Preisänderungen in der Gasgrundversorgung eines zu 100% kommunalen Grundversorgers in Niedersachsen in der Zeit von Herbst 2004 bis Herbst 2014.

In den Vorinstanzen vor dem Landgericht (LG) und dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg war streitig, ob der Wirksamkeit der Gaspreisänderungen infolge ergänzender Vertragsauslegung die unmittelbare Geltung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie entgegenstand. Denn diese Bestimmungen waren nicht fristgemäß bis zum 01.07.2004 in deutsches Recht umgesetzt worden. Dies geschah vielmehr erst durch die zum 30.12.2014 in Kraft getretene Ergänzung in § 5 Abs. 2 Satz 2 Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV).

Der BGH hat nun die unmittelbare Anwendung dieser Transparenzanforderungen verneint und die Wirksamkeit der streitigen Preisänderungen gemäß seiner Rechtsprechung zum Preisänderungsrecht infolge ergänzender Vertragsauslegung in der Zeit zwischen dem 01.07.2004 und dem 30.10.2014 bestätigt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Wirksamkeit der Gaspreiserhöhungen stand nicht entgegen, dass die vom deutschen Gesetzgeber noch nicht in nationales Recht umgesetzten Transparenzanforderungen nicht erfüllt wurden.

Allein der Umstand, dass sich die Gesellschaftsanteile des Grundversorgers vollständig in öffentlicher Hand befanden, hat nicht zur Folge, dass es sich bei dem Grundversorger um eine staatsnahe Organisation und Einrichtungen handelt. Nur denen gegenüber kann sich aber der Einzelne nach der EuGH-Rechtsprechung unmittelbar auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzter Richtlinien berufen.

Ein Grundversorger als Eigengesellschaft, dessen sämtliche Anteile der Stadt gehören, zählt aber als solcher nicht zum "Staat im weiteren Sinne" gemäß der Rechtsprechung des EuGH. Auch ist der Grundversorger nicht von einer staatlichen Stelle mit einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut und hierzu mit "besonderen Rechten" ausgestattet.

Vor diesem Hintergrund der vom BGH angewendeten und aus seiner Sicht eindeutigen EuGH-Rechtsprechung sah der BGH schließlich keine Veranlassung, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Auch wenn zu dieser Frage noch zwei Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgericht Lingen und des LG Koblenz beim EuGH anhängig seien, müsse der BGH nicht vorlegen oder die EuGH-Entscheidungen abwarten und seine Verfahren bis dahin aussetzen.