Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI) verstößt gegen Dienstleistungsrichtlinie 2006/13 EuGH entscheidet im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen ihre Verpflichtungen aus der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 verstoßen, weil sie durch die Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI) verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat. Das hat der EuGH mit Urteil vom 04.07.2019 entschieden.
Der EuGH hat festgestellt, dass es der Bundesrepublik Deutschland nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass die in der HOAI vorgesehenen Mindestsätze geeignet sind, die Erreichung des Ziels einer hohen Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten und den Verbraucherschutz sicherzustellen.
Nach Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarktdürften Mindest- und/oder Höchstpreise nur vorgeschrieben werden, wenn sie keine Diskriminierung darstellen, zur Verwirklichung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses erforderlich und verhältnismäßig sind. Die in der HOAI festgelegten Mindest- und Höchstsätze für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren erfüllen nach den Feststellungen des EuGH jedoch nicht die Bedingung der Verhältnismäßigkeit. Zwar könnten Mindestsätze für die Planungsleistungen im Hinblick auf die Beschaffenheit des deutschen Marktes (große Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen sowie starke Informationsasymmetrie zwischen Dienstleistern und Kunden) grundsätzlich dazu beitragen, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten, und folglich dazu, die von Deutschland angestrebten legitimen Ziele zu erreichen, wie Verbraucherschutz, Bausicherheit, Erhalt der Baukultur und ökologisches Bauen.
Die deutsche Regelung sei jedoch im Hinblick auf das mit den Mindestsätzen verfolgte Ziel, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu erhalten, inkohärent: Denn in Deutschland könnten Planungsleistungen nicht nur von Architekten und Ingenieuren, sondern auch von Dienstleistern erbracht werden, die nicht ihre entsprechende fachliche Eignung nachgewiesen hätten. Mindestsätze könnten aber nicht geeignet sein, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu erreichen, wenn – wie aus den Unterlagen hervorgehe – für die Vornahme der Leistungen, die diesen Mindestsätzen unterlägen, nicht selbst Mindestgarantien gölten, die die Qualität dieser Leistungen gewährleisten könnten.
Demgegenüber könnten die Höchstsätze zum Verbraucherschutz beitragen, indem die Transparenz der von den Dienstleistungserbringern angebotenen Preise erhöht werde und diese daran gehindert würden, überhöhte Honorare zu fordern. Deutschland habe jedoch nicht begründet, weshalb die von der Kommission als weniger einschneidend vorgeschlagene Maßnahme, Kunden Preisorientierungen für die verschiedenen von der HOAI genannten Kategorien von Leistungen zur Verfügung zu stellen, nicht ausreichen würde, um das angestrebte Ziel des Verbraucherschutzes in angemessener Weise zu erreichen. Folglich könne das Erfordernis, Höchstsätze festzulegen, im Hinblick auf dieses Ziel nicht als verhältnismäßig angesehen werden.
Das Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat bereits am 04.07.2019 in einer Pressemitteilung verlauten lassen, dass die bayerische Staatsbauverwaltung die bisherige HOAI-Regelung ab sofort bei Neuverträgen nicht mehr anwenden darf. Um ein mögliches „Honorardumping“ zu vermeiden und nach wie vor ein hohes Maß an Qualität beim Öffentlichen Bauen zu gewährleisten, will sich der Freistaat Bayern beim Bund besonders dafür einsetzen, die Neuregelung bestmöglich zu gestalten.
Die Bundesregierung beabsichtigt, für eine Übergangszeit in einem Erlass bundesweit zu regeln, wie bei Vergabe und Honorierung der Leistungen von Architekten und Ingenieuren vorgegangen werden kann. Bayerns Bauministerium wird als öffentlicher Auftraggeber für seinen Geschäftsbereich diese Regelungen übernehmen. Die Neuregelung soll so schnell wie möglich nach dem EuGH-Urteil veröffentlicht werden.