Regulierung auf die Spitze getrieben: Übertragungsnetzbetreiber dürfen Kraftwerke errichten und betreiben
Berlin, 24.06.2016. Der Bundestag hat gestern Abend das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes beschlossen. Wesentliche Änderungen zu sogenannten Netzstabilitätsanlagen hatte der Wirtschaftsausschuss erst am Tag zuvor in einem Änderungsantrag verabschiedet. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht die neuen Regelungen kritisch. VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche dazu: „Der fehlende Netzausbau behindert die Energiewende und verursacht an vielen Stellen Probleme, die eine stärkere Regulierung nach sich ziehen. Darunter leiden die Erzeuger. Die Regelung, dass Übertragungsnetzbetreiber nun selbst Anlagen bauen und betreiben dürfen, treibt dies auf die Spitze. Denn damit wird ein Teil der wettbewerblichen Erzeugung in den regulierten Bereich des Netzbetriebs überführt.“
Übertragungsnetzbetreibern wird es zukünftig erlaubt sein, eigene Kraftwerke zu bauen, um Engpässen in der Stromversorgung entgegenzuwirken. Reiche: „Übertragungsnetzbetreiber sollten sich auf ihre eigentliche Aufgabe, nämlich den Netzausbau, konzentrieren. Anstatt dessen werden ihnen immer größere Eingriffe in den Strommarkt gestattet. Der Beschluss zu Netzstabilitätsanlagen ist eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem Regierungsentwurf und damit das jüngste Beispiel einer Reihe von Entscheidungen hin zu mehr Regulierung im Strommarkt.“
Hintergrund:
Im Regierungsentwurf war vorgesehen, die Netzreserve um zwei Gigawatt neue Gaskraftwerke in Süddeutschland zu erweitern. Die Gaskraftwerke sollten ausgeschrieben werden. Stattdessen sollen die Übertragungsnetzbetreiber nun eigene Erzeugungsanlagen, sogenannte „Netzstabilitätsanlagen“ für die Übergangszeit zwischen dem vollständigen Atomausstieg 2021 und dem voraussichtlich abgeschlossenen Netzausbau im Jahr 2025 errichten und betreiben. Die Anlagen sollen außerhalb des Marktes eingesetzt und müssen danach stillgelegt werden. Die durch den Verkauf erzielten Erlöse sollen netzentgeltreduzierend wirken. Die Anlagen dürfen nur errichtet werden, wenn ab dem Jahr 2021 netztechnischer Bedarf besteht. Die Ermittlung erfolgt durch die ÜNB selbst und wird durch die BNetzA bestätigt.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt rund 1.460 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit über 262.000 Beschäftigten wurden 2015 Umsatzerlöse von mehr als 115 Milliarden Euro erwirtschaftet und rund 11 Milliarden Euro investiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen haben im Endkundensegment große Marktanteile in zentralen Versorgungsbereichen (Strom 60 Prozent, Erdgas 65 Prozent, Trinkwasser 87 Prozent, Wärmeversorgung 69 Prozent, Abwasserentsorgung 42 Prozent). Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 66 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Die kommunalen Unternehmen versorgen 5,7 Millionen Kunden mit Breitband. Bis 2018 planen sie Investitionen von rund 1,7 Milliarden Euro, um dann insgesamt 6,3 Millionen Menschen an schnelles Internet anschließen zu können.
- Pressemitteilung 24/2016 (PDF, 230 KB)